Synergetik-Einzelsitzung: Duell
Der Klient befindet sich in einem Backsteinkellergewölbe, in dem mehr
als 10 Türen von beiden Seiten abgehen. Er entscheidet sich als erstes
für die erste Tür auf der rechten Seite. Es handelt sich hierbei um
eine Stahltür, hinter der sich ein Abstellraum befindet. Nachdem er die
Tür geöffnet hat, sieht er einen sehr großen, rechteckigen,
leeren Raum mit einem Gewölbe. Die Wände sind verstaubt und voller
Spinnweben. Der Klient findet, daß der Raum sehr schön ist, aber
schon zu lange leersteht. Und es müßte mal gelüftet werden.
Am Ende des Raumes befindet sich ein Lüftungsschacht, der auch mit Spinnweben
fast zugedeckt ist. Der Klient äußert sofort den Impuls, diese abzureißen,
damit Luft in den Raum kann.
Kl: Ja, man kann es merken, wie im Kamin eine Wirkung entsteht. Man
sieht auch ein ganz klein wenig Licht am Ende. ... Ja, der Raum müßte
eigentlich mal sauber gemacht werden. Da könnte man was draus machen. -
Therapeut ermuntert ihn dazu - Ja, so mit dem Hochdruckrei-niger mal durchgehen.
Da mal so richtig Dampf machen. Und Staub und Dreck raus. Und die wunderschönen
Backstein-strukturen mal wieder sichtbar machen. Der ist ganz phantastisch der
Raum.
Der Klient möchte gerne Hilfe haben und der Therapeut schickt ihm daraufhin
einen Boten vorbei - Schritte werden eingespielt - Der Bote hat Stiefel, ein
blaues Hemd und blaue Pumphosen an und er hat um den Kopf ein Tuch geschlagen.
Der Klient meint, er sähe aus wie ein Diener.
Kl: Du siehst aus, als könntest Du mir helfen. Du siehst aus, als
könntest Du arbeiten. Das sehe ich an deinen Händen. Ich möchte
gerne diesen Raum hergerichtet haben. - Der Therapeut möchte wissen, wie
der Diener reagiert - Sagen wir mal, ganz scharf drauf ist er nicht, zu helfen,
er ist so ein bißchen schwerfällig oder so. Aber man merkt, er muß
sich erst mal damit beschäftigen, sich darauf einstellen, geistig. Ich
muß ihn ein bißchen motivieren, glaub ich. Ich hab so das Gefühl,
als sei er überhaupt zuständig für den unteren Bereich, da ein
bißchen Ordnung zu halten, für das Gebäude. ... Was hast Du
bis jetzt gemacht? Er sagt: Ja, ich hab keinen Auftrag gehabt, hier sauber zu
machen. Ich war mit anderen Dingen beschäftigt. Aber er würde es jetzt
machen.
Der Klient sagt dem Diener, daß die Arbeit geplant werden müsse und
daß er selbst das übernehmen will. Er möchte gerne die Aufsicht
über das Ganze haben und er hat die Idee aus diesem Raum einen Speisesaal
oder sowas wie ein Kellerrestaurant zu machen.
Kl: Ja, wenn das alles sauber ist, dann könnten da so Tische hin,
und schöne Beleuchtung, die die Wände so anstrahlt, so bißchen
matt. Und Kerzen auf dem Tisch, und Leute sitzen um den Tisch.
Th: Was ist so Deine Aufgabe darin, was machst Du dann?
Kl: Ich freu' mich darüber. Und ich möchte das verwalten.
Es ist eine warme angenehme Atmosphäre darin. Ja, ich bin damit zufrieden.
Der Therapeut führt den Klienten wieder in den Gang zurück. Dieser
wählt als nächtes die gegenüberliegende Tür mit der Aufschrift
Abstellkammer. Dieser Raum ist vollkommen verstaubt und vollgestellt
mit altem Gerümpel. In der Ecke steht ein altes Sofa mit einer geschwungenen
Lehne, das die Aufmerksamkeit des Klinten auf sich zieht. Er setzt sich auf
das Sofa und macht auf Anweisung des Therapeuten eine Zeitreise...
Kl: Auf einmal sitze ich in einem Schloß. Das Sofa steht in einem
Schloß, und ich sitze darauf auf der gleichen Stelle, und meine linke
Hand laß' ich über die Lehne gelehnt, die Beine übereinander
geschlagen. Ich hab' auf einmal schöne Kleider an. Ah, ganz affig, die
Kleidung, ganz affig. So mit Lackschuhen und so was. Und mit Strümpfen,
mit weißen Strümpfen und Kniebundhosen. ... Ja, also, mir geht es
da, wie Gott in Frankreich, so. Es geht mir prima. Jetzt kommt ein Diener, ein
Lakai zur Tür rein, mit Perücke auf. Der sieht aus, wie ein richtiger
Schloßdiener.
... Also, ich weiß nicht, ob ich der Schloßherr bin, aber ich bin
einer der höheren Leute dort.
Th: Ah ja. Wenn Du es genau wissen willst, dann frag den Diener. Auch
wenn er sich wundert über diese Frage, aber mach das ruhig mal.
Kl: Ja, ich muß mir erst den Namen überlegen von dem Diener,
den kenn' ich ja. ...Wie heißt denn Du? Ja, sag mir Deinen Namen bitte,
ich hab' ihn vergessen, entschuldige bitte, aber ich bin so vergeßlich
mit Namen. Es ist ein französischer Name, aber ich komm nicht drauf. Ich
sag einfach mal Pierre, sag mir, wer bin ich? Aber Monsieur, Sie sind doch der
und der....Was mach' ich hier?...Ja ich gehöre zum Hof. Aber ich bin, glaub
ich, nicht der allerhöchste Chef im Schloß. Ich muß zur Familie
gehören. Ach, sag mir doch mal, welche Jahreszahl haben wir? 1712 - Wir
haben Sonnenschein, ein wunderschöner Früh-lingstag. Die anderen sind
zur Jagd ausgeritten, aber ich hatte keine Lust auf die Jagd. ... Ich gehe jetzt
an das Fenster und schau hinaus. Da ist ein Wasser vor dem Schloß und
eine breite Treppe. Hinter dem Wasser eine große, große Wiese, Bäume
im Hintergrund. In der Ferne ein paar Schafe auf der Wiese, herrlicher Park.
...Ach, wunderbar. Die Sonne scheint überall drauf, und das Wasser glitzert.
Ünd Wasservögel sind drauf und quaken.
Th: Bist Du da aufgewachsen, ist das Dein Zuhause?
Kl: Aufgewachsen bin ich da nicht. Ich komme woanders her, mehr aus
dem Süden, da war es nicht ganz so prächtig. Aber mehr ursprünglich.
Das ist hier sehr abgehoben und gekünstelt... Ja, meine Kleidung, der Lebensstil
ist mir doch nicht so angenehm. Ich glaub' nicht, daß es richtig ist,
so in Saus und Braus zu leben.
Th: Ah ja. Paß mal auf, ich möchte jetzt einfach mal so ein
kleines Experiment mit Dir machen: Wenn Du jetzt zurück in Dein heutiges
Leben gehst, dann spür doch mal, was wird da jetzt anders, oder was ist
identisch, oder warum kommen jetzt genau diese Bilder in Dein Bewußtsein?
Spür mal, ob es da einen Zusammenhang gibt.
Kl: Ich suche, nach der rechten Art zu leben, nach der Wahrheit, den
richtigen Weg zu gehen. Nicht so die Äußerlichkeit.
Th: Das heißt, jetzt dort in dem Schloß gibt es schon diese
Sehnsucht, dieses Suchen nach dem, wie es besser wird, wie es richtig ist. Ist
es so was? - Klient bejaht - Gut. Ist noch etwas wichtiges für Dich dort
jetzt wahrzunehmen, zu erkennen? Es geht ja jetzt nur darum, so verschiedene
Aspekte Deines Unterbe-wußtseins sichtbar zu machen.
Kl: Es ist eine schöne Atmosphäre dort, aber ich gehe gerne
wieder weg.
Der Therapeut gibt dem Klientin die Anweisung, sich wieder auf das Sofa zu setzen
und der Klient reist zurück in den Keller. Er fühlt sich nach diesem
kleinen Ausflug sehr frohgemut und unternehmungslustig und er sagt,
ihm sei klargeworden, daß dieser Keller jetzt aufgeräumt werden muß.
Nachdem der Raum freigeräumt ist, geht der Klient zurück in den Gang.
Auf die Frage des Therapeuten, ob der Gang sich irgendwie verändert hätte,
antwortet der Klient, er sei heller, breiter und strahlender geworden. Als nächtes
fühlt er sich von einer großen Doppeltür auf der linken Seite
angezogen, die die Aufschrift Equipagen. Als er die Türe öffnet,
steht er in eine riesigen Raum mit alten Wagen und Kutschen darin. Der Raum
hat nach hinten eine Öffnung wie in einen Innenhof. Der Klient tritt hinaus.
Kl: Ja, das ist ein Innenhof, in der Tat. Da ist Gras und er ist auch
ummauert, und da sind alte Pflanzen, schön an der Wand hochgezogen. Ja,
und am Ende ist so ein Tor mit zwei Steinsäulen, mit zwei Kuppeln oben
drauf. Da sind wohl die Wagen reingefahren worden. Der hat eine schöne
Atmosphäre, dieser Innenhof. -
Der Klient äußert den Wunsch, nach draußen zu gehen. Er tut
es und kommt zu einer Parklandschaft mit alten Bäumen und einem Kiesweg.
Der Therapeut gibt an dieser Stelle die Anregung, eine Kutsche kommen zu lassen
- Hufgetrappel wird eingespielt. - Ja, in der Tat, ich sehe eine Kutsche kommen.
Die Kutsche hält an vor dem Tor, ich sag einfach Guten Tag, Bonjour, steig
in die Kutsche ein, und jetzt fahren wir in diese Allee hinein. Ich lehne mich
zurück in die Polster, das Gefühl kenne ich. Ich kann mich schön
entspannen in der Kutsche. Ich schau gelangweilt raus, seh' die Bäume vorbeisausen,
das Grün, die Sonne, Sonnenflecken. Es ist angenehm, ich höre das
Hufgetrappel und das Geräusch von den Rädern kann ich auch hören.
Hüh, schreit der Kutscher, schnalzt mit der Peitsche. Ach, ich find' das
schön. Ich mach mich breit, so quer leg' ich mich. ...Jetzt biegt der Kutscher
ein, auf einem Weg und fährt auf ein Haus zu mit einem Park davor, es ist
ein schönes Haus. Das ist mehr ein Herrenhaus so, kein echtes Schloß.
Ja, ich steig aus, und geh' so die Treppe hoch, es kommt jemand raus und begrüßt
mich ganz selbstverständlich. Wir scheinen uns zu kennen. Ich geh hinein,
schreite einfach weiter, steh' in einer Halle, werde ins linke Zimmer gebeten.
Ja, und da setze ich mich dann, nachdem ich Stock und Handschuhe und Hut abgegeben
hab', setz' ich mich. Jetzt kommt eine Dame die Treppe runter. Sie kommt auf
mich zu und ich stehe auf, und wir begrüßen uns. ...Wir scheinen
uns zu kennen. Sie freut sich über den Besuch, und ich freu' mich auch.
Wir sind uns vertraut, aber nicht sehr nahe. Und wir sprechen über irgend
etwas. Vielleicht eine Einladung, oder eine Veranstaltung oder so etwas. Wir
überlegen, wie wir das alles machen können, was wir wollen. Ich glaube,
es ist ein Musikabend oder literarischer Abend, so in der Richtung, wir bereiten
eine Einladung vor. Wir haben beide das gleiche Interesse. Wir freuen uns an
der Kunst. Dann fahr ich wieder zurück. Wir kommen jetzt zu einem Gebäude,
es ist relativ groß, es ist kein Schloß, aber es ist relativ groß.
Das Dach ist verziert und Schornsteine drauf, und Vorsprünge. Es sind alte
Bäume drum, Eichen, alter Baumbestand in der Gegend. Das ist ein altes
traditionsreiches Haus, aber es könnte ein bißchen Auffrischung brauchen,
bißchen mehr Leben könnte rein. Es ist eigentlich schwer, dieses
Haus in der heutigen Zeit zu bewirtschaften, es ist also bißchen groß
für die heutige zeit. Ja, da müßte man irgendwie mehr Leben
reinkriegen. Ja, ein Restaurant, da müßten mehr Leute rein. So ein
Gefühl hab ich eigentlich, um das wieder ein bißchen zu beleben,
dieses Gebäude.
Th: Wenn Du jetzt mit diesem Sehen, Wissen oder Wahrnehmung, in Dein
heutiges Leben reinspürst, was ist da ähnlich? Warum kommen da die
Bilder jetzt so hoch? Was ist die Botschaft davon?
Kl: Ja, ich glaube schon, daß das Bezug hat zu meinem Leben, da
ist Potential da, da steht etwas, was genutzt werden will, es ruft danach, genutzt
zu werden. Ich weiß nur noch nicht genau, was, aber ich kann es schon
ein bißchen ahnen. -
Als der Therapeut den Klienten in den Raum mit den großen Kutschen zurückführt,
stellt dieser erstaunt fest, daß daß der Raum strahlender ist und
auch die Backsteine plötzlich mehr leuchten. Er meint, er bekomme ein Ahnung,
wie wunderschön die Kutschen sein könnten, wenn sie herausgeputzt
sind. Er geht dann zurück auf den Gang, wo er den Diener wieder trifft.
Kl: Wir machen die Tür gemeinsam zu, und ich bin ein bißchen
nachdenklich und er merkt es. Und ich sag, ja, da müßte man doch
auch was machen. Ich glaub, das wär' eine Arbeit für eine Gruppe von
Menschen, diese Kutschen wieder herzurichten. Ich besprech' das mit ihm. Ich
bitte ihn, sich doch Gedanken zu ma-chen, wie wir das organisieren könnten.
Ja, er sieht das auch. - Der Therapeut macht den Vorschlag, der Klient solle
nun den Diener fragen, welche Tür als nächtes wichtig ist. Der Diener
zeigt auf eine Holztür mit der Aufschrift Leben. Der Klient
meint, man könne das Leben schon durch die Türe hören.
Kl: Das Leben kam schon durch die geschlossenen Tür durchgeschallt,
das ist ein Ballsaal, der ist voll von Menschen. Das ist unglaublich, daß
so viele Menschen in einen Ballsaal reinpassen. Auf der Bühne vorne ist
ein Orchester, die spielen. Menschen tanzen auf der Tanzfläche, und Tische
sind drum'rum. Und Ober schwirren durch den Saal und bedienen in weißen
Jacken. Die Leute reden und lachen, und es ist warm, so richtig Dampf. ...Ich
bin zunächst noch an der Tür, in Begleitung von meinem Diener, der
mir den Hinweis gegeben hat. ... Jetzt zwäng ich mich durch die Leute durch,
so voll ist das. Und zunächst kenn' ich keinen, aber ich fühl' mich
sehr wohl. Das ist echtes Leben. Ah, das ist schön...das ist schön,
echtes Leben. Die Leute sind so im Gespräch, daß sie mich gar nicht
so bemerken. Aber ich bin jetzt auch schön angezogen, ich gehöre jetzt
auch dazu. Ja die Leute freuen sich, daß sie mich sehen. Die eine Dame
lächelt mir zu, sie mag mich. Ich mag sie auch. Sie schaut ganz tief in
meine Augen. Aber ich geh doch weiter. Ich möchte mich da nicht drauf einlassen.
So, und ich geh durch den Saal jetzt, ich muß alles inspizieren, scheinbar
hab ich doch das Fest organisiert. Und es ist nicht nur ein Saal. Da sind mehr
Räume, in denen andere Musik ist. Ja, ich habe das Fest organisiert, und
muß jetzt schauen, ob alles richtig läuft. Das sieht so aus, als
wäre das meine Aufgabe. Und ich freu' mich, daß die Veranstaltung
so gut besucht ist, daß die Leute sich so freuen daran, und daß
die Musik so gut ankommt. Ich sprech' jetzt mit ein paar Obern, Bediensteten,
sind alle zufrieden. Ja, das ist toll, da ist tobendes Leben da drin. ... Ja,
echt tobendes Leben. Ein gelungenes Fest.
Th: Spür mal, was ist die Botschaft für Dich heute?
Kl: Tja, das ist toll, ab und zu, nicht jeden Tag, das wär' zuviel,
aber so ab und zu, herrlich, herrlich. Ich glaub, ich muß da auch mal
richtig mitmachen, nicht nur organisieren. Ich hab das ganz gut organisiert,
aber jetzt kann ich auch mal den Organisator an den Kleiderbügel hängen,
jetzt stürz' ich mich auch mal voll rein. ...Ja, das muß ich mal
selber erleben, nicht nur organisieren. Ah, das ist herrlich das Tanzen. Und
mal seine Aufgaben, seine Pflicht zu vergessen, die hab' ich delegiert, in dem
Moment schaut jemand anders nach dem rechten. Ich tanze sehr gern, das macht
mir Spaß.
Th: Nimm dieses Gefühl jetzt auch ganz tief in Deinem Körper
auf, so als ob Du es durch Dein Einatmen wieder in Deinen Körper spürst.
Kl: Herrlich, herrlich. Wunderschön. - Tanzmusik - ... Huch, jetzt
hab' ich aber genug getanzt, ich schwitze ja richtig. (lacht) Vielen Dank, Madame,
es war herrlich, mit Ihnen zu tanzen. Ich bringe sie zurück zu Ihrem Platz,
und dann geh' ich wieder zurück zum Ausgang und treffe da meinen Diener,
meinen Begleiter. Und mach die Tür wieder zu, und das Leben tobt da drin
weiter. ...
Th: Gut, dann laß Dich jetzt mal von Deinem Diener, der scheint
ja gute Tips zu wissen, noch mal eine andere Tür zeigen, einen anderen
Aspekt in Deinem Leben, der wichtig ist.
Kl: Ja, der Diener hat mich eigentlich listig an einer anderen Tür
vorbei geführt, aber ich glaube, die ist doch wichtig auch. Ja, ich glaube,
ich muß doch zu dieser Tür. Ja, da steht ,,Der Tod drauf. Die
Tür ist schwarz. Die Tür ist aber wunderschön, eine ganz schöne
Holztür. Eine Bretterstruktur, oder eine Balkenstruktur, und die ist ganz
neu gestrichen, gar kein Staub drauf. Ich seh' auch die Türklinke, ich
nehm' sie mit der linken Hand - Geräusche einer sich öffnenden Tür
- das Knarren ist so grausig wie der Anblick: Der Raum ist klein. Da steht ein
Tisch in der Mitte, und ein paar Stühle drum 'rum. Und auf dem einen sitzt
der Tod. Der ist ein Knochenmann und hat einen Umhang, so eine Kutte.
Th: Sprich ihn mal an, wie immer Du ihn ansprechen willst.
Kl: Ich weiß, lieber Freund, Du bist mein Tod. ...Ja, der sitzt
da so ein bißchen gelangweilt in dem Stuhl, der hängt da mehr so
drin. Halb lehnt er auf dem Tisch, halb auf der Armlehne. ... Was machst Du
hier? ... Ich warte auf Dich. ... Was denkst Du, willst Du mich gleich holen,
oder hast Du noch viel Zeit? Ja, ich bin immer da, jederzeit bin ich da, ich
kann jederzeit kommen. Ich hab' aber noch keine Lust, sag ich. Dann ist gut,
sagt er. ... Ich sag, lieber Tod, wenn Du kommen willst, ich bin jederzeit bereit.
Ich will noch nicht, aber wenn es sein muß, Du kannst mich nicht erschrecken.
Er sagt: Ja, ja, ich weiß, daß Du keine Angst vor mir hast. ...
Also, der tut mir richtig leid der arme Kerl. Aber ich kann ihm nicht helfen.
Ich mach mir richtig Gedanken, womit ich ihn erfreuen kann, damit ihm nicht
so langweilig ist. ...Tod, das ist doch schrecklich, hier in diesem engen kleinen
Zimmer sitzen, und nur so zu warten. Bei mir mußt Du noch lange warten.
Willst Du denn nicht inzwischen etwas Sinnvolles tun, damit Dir nicht so langweilig
ist? Ich hätte da eine tolle Idee, daneben tobt das Leben im Ballsaal,
willst Du nicht da ein bißchen mit tanzen? Tod, hast Du nicht Lust? Ich
hatte da eben so ein schönes Erlebnis dort, willst Du Dich nicht auch ein
bißchen erfreuen? Der Tod hat Lust. Und außerdem kannst Du Dich
ein bißchen mit ein paar sinnvollen Dingen beschäftigen, wenn der
Ball aus ist. Kannst ein bißchen über Dich nachdenken. Also, Tod,
ich wünsch Dir viel Spaß und Vergnügen, ich hab Dir hoffentlich
gute Ideen gegeben. ... Ja, er sieht eigentlich ganz vergnügt aus, ich
hab' den Eindruck, als wollte er die Idee aufgreifen.
Th: Du, ich hab' eine Idee, guck mal, ob Du es machen willst. Nimm ihn
an die Hand, mit rüber in den Ballsaal.
Kl: Ja, so ein bißchen Scheu hab' ich schon, seine Knochenhand
zu nehmen, aber wieso nicht, wir sind Kumpels. Ich nehm' ihn an der Hand, das
klappert so ein bißchen. Ich geb' ihm einen Tip, er soll sich unsichtbar
machen, damit sich die anderen Leute nicht vor ihm erschrecken. ... Also, mein
Tod ist jetzt unsichtbar, und ich führ' ihn rein. Ja, ich geb' ihm auf
einmal vorübergehend eine andere Gestalt, damit er auch einmal mit einer
Frau tanzen kann, ohne daß die sich erschreckt vor ihm. Ich führe
ihn in den Saal und mache ihn aufmerksam auf ein paar Frauen, ja, und er geht
auf sie zu, fordert die eine auf und geht auf die Tanzfläche und tanzt
mit ihr und ist happy. Ja, und ich laß die beiden alleine.... Ach, jetzt
habe ich noch etwas vergessen, was ich ihm sagen wollte. Ich muß ihn wieder
rausholen. Ich hol' ihn wieder raus vor die Tür, er ist gestört, das
hat ihm nicht gepaßt, daß ich ihn raushole. Dann sag ich zu ihm,
also eines will ich Dir noch sagen, wenn es soweit ist, dann will ich bewußt
sterben. Ja, sagt er, da können wir drüber reden. Noch eins, sag ich,
zum Abschluß möchte ich mit Dir tanzen. (schluchzt)
Th: Ist okay wenn Tränen kommen.
Kl: Er guckt erstaunt. Das hat er noch nicht gehört. Aber, er sagt,
ist in Ordnung. Ja, der Tod ist ganz zufrieden damit. Und er geht wieder zurück
und tanzt. Und ich bin auch zufrieden damit. Er ist eigentlich ganz menschlich
geworden. Er hat richtige Konturen bekommen, sieht gar nicht mehr so dürr
aus, sondern richtig beinahe bißchen wohlgenährt.
Th: Spür mal, was ist da die Botschaft für Dich, für
Dein Leben, daß er aufgetaucht ist, daß Du mit ihm gesprochen hast?
Kl: Angst hatte ich noch nie vor ihm. Aber sympathisch war er mir auch
nicht mit diesen kantigen Knochen da. So ein bißchen Unwohlsein hatte
ich schon, Abstand war da, aber jetzt sind wir Freunde geworden.
Th: Wie wirkt sich das aus für Dich? So für Dein Grundgefühl,
wenn Du in Dein Leben jetzt hinein schaust?
Kl: Tja, wie soll ich sagen. Die Zuversicht hat zugenommen. Die Zuversicht,
das Grundvertrauen oder das Urvertrauen. Das ist keine Sache, wo ich, kein Thema,
wo es mir unwohl sein muß davor.
Schließlich geht der Klient wieder in den Gang, wo er das Gefühl
hat, die Türen hätten sich verringert. Als letztes entscheidet er
sich für eine kleine Türe auf der rechten Seite. Es ist eine schwere
Holztür mit einem Riegel davor. Der Klient kann keine Aufschrift erkennen,
hat aber so eine Ahnung, daß das, was hinter der Tür ist, etwas mit
Beerdigung zu tun hat. Er öffnet den Riegel und tritt ein.
Kl: Das ist kein schöner Anblick. Ich sehe einen Lichtstrahl nach
unten gerichtet. Der Fußboden ist tiefer als der Gang. Da geht eine Eisenleiter
mit einem Handlauf nach unten. Da sind Ratten im Keller. ...
Die Ratten, die sehen das Licht und fangen an zu piepsen, zu quietschen und
auf mich loszuspringen. Ich steh in der Türöffnung und guck da runter.
Das sind ganz viele. Wie die sehen, daß die Tür aufgeht, da fangen
die an zu kreischen und zu quieken, und durch das Licht sind sie aufgeschreckt.
Die wollen da raus. ...Ja, ich möchte sie rauslassen. ... Ich machs.
...Ja, die kommen an den Wänden hoch, kommen überall hoch, die springen
auch an mir hoch, sitzen mir im Genick und kitzeln mich da. ...Hey, nicht so
toll, laßt ab von mir. Kommt raus, ich laß Euch alle raus, aber
Ihr müßt ja nicht direkt in meinem Genick sitzen. Und die Ratten,
die gehen zum Ausgang, die stürzen zum Ausgang. Aber mich würde ja
interessieren, was da in dem Keller noch ist. ...Die Ratten haben da ja was
gemacht: die haben da genagt, da liegt ein Skelett. Das ist ein Menschenskelett.
Die haben das schon ganz abgenagt, das hat sich so verkrümmt.
Th: Okay, schau mal hin, wer ist das?
Kl: Ja, ich habe so das Gefühl, das ist ein Stück von mir.
Th: Ja, geh ruhig hin. Red mal damit, mit dem Teil von Dir. Frag mal
direkt, welcher Teil epräsentierst Du, welcher Teil von mir ist da gestorben?
Kl: Knochengerüst, ich finde das ko-misch. Ich stehe doch hier,
und doch sehe ich Dich dort. Ich fühle mich lebendig, und doch sehe ich
Dich da liegen. Ich bin nicht Dein Körper jetzt. Ich bin ein früherer
Körper von Dir, der jetzt hier liegt.
Th: Frag ihn mal, an was er gestorben ist. Was ist seine Geschichte?
Nimm es ruhig auch mal symbolisch. Irgendein Teil von Dir liegt dort. Und diesen
Teil kannst Du fragen, an was er gestorben ist. Und dieser Teil soll Dir jetzt
mal zeigen, die Situation, die dazu geführt hat. Und dann guck mal, welche
Bilder kommen. Irgendwelche Kindheitserinnerungen oder was auch immer hoch kommt.
Er hat ja meine Worte auch gehört, guck mal, wie er darauf reagiert jetzt.
Kl: Er ist in einem Duell gestorben. Er ist erschossen worden in einem
Duell.
Th: Beschreib mal, was Du siehst.
Kl: Zwei Männer stehen sich gegenüber. Ich stehe links, der
andere mehr rechts im Hintergrund. Ja, und das ist ganz komisch, ich schieße
und der andere fällt um. Ich bleibe stehen. Ah, das ist mir sehr unangenehm,
es ist ganz schrecklich für mich, daß ich den anderen erschossen
habe. Ich habe solche Schuldgefühle jetzt.
Th: Okay. Und jetzt frag mal, ob das stimmt. Diese Schuldgetühle,
die Du da hattest, die haben irgend etwas in Dir getötet. Und das, was
sie getötet haben, liegt da unten als Leiche im Keller. Frag mal die Leiche,
ob das stimmt. Und wenn das stimmt, dann soll sie mit dem Kopf nicken, wenn
es nicht stimmt, soll sie den Kopf schütteln.
Kl: Ja, ja, die Leiche nickt. Das ist so komisch, ich habe doch den
anderen erschossen, und jetzt liege ich da im Keller.
Th: Dadurch daß Du den anderen erschossen hast, hast Du Schuldgefühle
bekommen, und das hat Dich getötet. Und diesen Teil kannst Du Dir jetzt
angucken, dieser Teil liegt dort, den siehst Du. Und wenn Du den aber siehst,
dann kannst Du den auch wieder lebendig machen. Bist Du bereit dazu? - Klient
bejaht - Dann geh mal zu dem Kontra-henten hin, schau ihn Dir an, und sag ihm,
was Du ihm sagen möchtest.
Kl: Mein Kontrahend, es tut mir leid, daß ich dich erschossen
habe. Ich wollte das gar nicht, ich wollte auch das Duell nicht. Aber du hast
mich gedrängt, ich hatte keine Wahl, ich konnte nicht zurück. Ich
wollte dich auch nicht erschießen, ich wollte, daß ich selber sterbe
dabei. Und jetzt hab ich dich unglücklicherweise getroffen (Stimme zittert)
Th: Und jetzt sag ihm das auch noch, daß du Schuldgefühle
bekommen hast und daß diese Schuldgefühle in dir irgendwas abgetötet
haben und daß diese Leiche jetzt bei dir im Keller liegt.
Kl: Jetzt tut mir der so leid. Ich war ja in dem Moment so verwirrt.
Am liebsten wäre ich doch selber gestorben und jetzt lebt meine Leiche
da unten im Keller und grämt sich und wird von Ratten zernagt.... Am liebsten
möchte ich das ganze wieder zurückdrehen, aber das geht ja nicht.
Th: Sags ihm mal und frag ihn, ob er das auch möchte.
Kl: Da sagt er: Ja, ich bin ja erschossen worden, so schön war
das auch nicht. Ich hatte mir mein Leben auch anders vorgestellt. Er sagt, er
fühlte sich verpflichtet, mich herauszufordern. Er wollte für Recht
und Ordnung eintreten.
Th: Ja, er hat seine Erfahrung gemacht und du hast deine Erfahrung gemacht
und jetzt könnt ihr euch die Hand geben.
Kl: Also, ich glaube, wir haben uns beide sehr blöde benommen.
Hätten wir das nicht auch in Worten bereden können? Ich war so verbohrt,
sagt er, aber heute weiß ich, daß es auch von mir Dummheit war.
Wollen wir uns wieder vertragen? Ja. Ich gebe ihm die Hand. ... Er ist ein bisschen
steif so. Ganz stocksteif steht er da. Jetzt lächelt er und drückt
mir auch die Hand. Ja, das fühlt sich gut an.
Th: Welche Verletzung hatte er? - Klient sagt, er hatte ihn in die Stirn
geschossen - Ahja, dann müßte er da jetzt noch ein Loch haben. Guck
mal hin. - Der Klient kann kein Loch mehr sehen - Es hat sich also von selbst
wieder regeneriert? - Klient bejaht und findet es seltsam - Nee, ist aber ganz
normal. Wenn du wirklich aus ehrlichstem Herzen ihn in dir um Verzeihung bittest,
dann wird es in dir wieder ungeschehen gemacht. Du siehst es selbst jetzt. ...
So, wenn du willst, dann geh jetzt mal in den Keller und schau mal, wie deine
Leiche jetzt aussieht.
Kl: Komm, wir gucken jetzt mal zusammen, was das Knochengerüst
im Keller sagt. Ja, wir gehen jetzt durch den Garten, nähern uns dem Haus,
gehen die Treppen hinunter, an den Türen vorbei, wir gehen zur Tür.
Jetzt gehen wir rein. Ja, der Boden sieht aus wie vorher, die Ratten sind alle
weg und das Knochengerüst ist verschwunden. Komisch. (sehr erstaunt) Das
ist ja wie Zauberwerk!
Th: Nein, das nennt man Synergetik.
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