Arnold Keyserling: Reinkarnation, Karma und Auferstehung
Keyserling erläutert die Wiedergeburtslehre der alten Ägypter. Ausgangspunkt seines Artikels ist ein Überblick über die Entwicklung der Reinkarnation in Europa. In Europa entstamme Wiedergeburtslehre nicht unbedingt der Religion. Aus Interesse für Reinkarnation habe man versucht experimentell und wissenschaftlich die Wiedergeburtslehre nachzuprüfen. Um die Jahrhundertwende ging von von dem Dualismus von Kraft und Stoff auf der einen Seite und Seele und Körper, auf der anderen Seite, aus. Die Seele wurde gleichsam als Kraft des Lebens und Bewußtseins verstanden, und die Reinkarnation sollte daher einen Beweis ihrer Unsterblichkeit bringen können. Dieses Verstehensraster wurde nach 1910 mit der Revolution der Physik durch Planch und Einstein überwunden. Die Anhänger der Reinkarnationslehre spaltete sich in vier Gruppen:
Mit der Transpersonalen Psychologie in den siebziger Jahren kam die Reinkarnation erneut ins Gespräch. Eine Vielzahl von Methoden (u.a. die Sxygard-Rückführung) gaben der Reinkarnationstheorie endlich wissenschaftliche Beweise: "der Glaube an Reinkarnation hat als Grundlage das Erleben, das fast jedem mit oder ohne Hypnose zugänglich werden kann. In meiner Erfahrung sind etwa nur drei Prozent der Menschen nicht dazu imstande ..." - so Keyserling. Dennoch: Über die Wahrheit der Reinkarnation könne das Erleben nichts aussagen.
Im zweiten Teil seinen Artikels beleuchtet der Autor die altägyptische Reinkarnationslehre. Dort seien die Problemkreise Karma und Auferstehung, dort Vergottung, am besten dargestellt. Der altägyptische Glaube habe zwei Triaden als Basis:
Die erste Triade bestimmt die Tagwelt und Lebenswelt, die zweite die Nachwelt, den Traum und die Todeswelt. Ba wird symbolisiert als Vogelkörper mit Menschenkopf, Ka als zwei gewinkelte Arme mit Händen, und Ach ist die Verklärung, die Horus oder der Pharao erreicht, das Auge.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der altägyptischen Reinkarnationslehre ist das Totenrecht. Bei seinem Tod muß jeder ein negatives Sündenbekenntnis abgeben und eine Prüfung bestehen. Dies korreliert mit den Nah-Todeserfahrungen, bei denen die Betroffenen ihr ganzes Leben vom Augenblick des Unfalls bis zur Geburt ablaufen sahen und sich selbst beurteilten. Bemerkenswert ist, daß berufliche Leistung und soziale Angepaßtheit keinen Wert haben; die gängigen Moralvorstellungen erwiesen sich als soziale Konvention.
Im folgenden diskutiert
der Autor die Bedeutung des Karma. Das indische Karma habe nichts mit Schuld
oder Erbsünde zu tun, sondern beziehe sich auf die mögliche Integration
der Wesenskräfte durch die sogenannten "sieben Stufen und neun Bereiche".
Während Christen und Moslems durch ihre Paradiessehnsüchte eher eine
statische Weltanschau zum Ansatz hätten, sei die ägyptische Weltschau
dynamisch. "Wer nicht an seiner Integration arbeite, erreiche sie nicht.
Wer sich aber im diesseitigen Tagleben - außer Beruf und Familie - mit
dem Namen der Kräfte vertraut macht, also sie sprachlich anjocht, dessen
Leben wird doppelt: als Doppelgänger kann die astrale Dreiheit, Ba-Ach-Ka,
die Auferstehung erreichen. Hierzu muß die Identifikation vom Überlebenstrieb
gelöst werden und sich auf die Leistung der Verkörperung der Anlage
beziehen." - berichtet Keyserling.
Wenn der Mensch seinen Glauben auf heilige Bücher fixiere, dann kann er seine eigene Inspiration und damit die Auferstehung niemals erreichen, betont der Autor. Das Ziel jedes Daseins überhaupt sei die Vergottung, die Schöpfungskraft zu erhalten, die zu jeglicher Metamorphose befähigte.