17. Jg. Nr. 39 vom 17. Januar 1986
Seit einigen Jahren beschäftigt
sich Ma Prem Jovana mit "Früheren Leben". Folgende Frage tauchte
in ihrer langjährigen Gruppen- und Einzelarbeit immer wieder auf:
Ich habe genug Probleme in diesem Leben,
ich werde doch nicht so dumm sein, mich mit eingebildeten Problemen aus "Früheren
Leben" zu beschäftigen?
In diesem Standpunkt sind zwei Fragen verborgen: gibt
es überhaupt "Frühere Leben"? Wenn ja, was haben sie mit
dem jetzigen Leben zu tun?
Objektive Beweise sind schon versucht worden, zum Beispiel
von Thorwald Dethlefsen in diesem Buch " Das Erlebnis der Wiedergeburt"
(München, 1982, S. 44 ff.). Ich selbst habe mich nie um objektive Beweise
bemüht. Die subjektiven, die Erfahrungen mit meinem Körper und meinem
Bewußtsein genügten mir. Meine Erfahrungen sind zwar für andere
Leute nicht objektivierbar, aber warum sollten sie es auch sein. Es ist besser,
wenn sie ihre eigenen Erfahrungen machen. Und dazu sind heutzutage nicht einmal
mehr Hypnose oder mit anderen Methoden geänderte Bewußtseinzustände
(z.B. durch Drogen, Atemtechniken oder Samadhi Tank) notwendig. Das ganz normale
Bewußtsein genügt.
Ist denn die eigene Erfahrung ein subjektiver Beweis?
Ja. Die Situationen aus "Früheren Leben" kommen nämlich
nicht als blasse Erinnerungen an etwas Fremdes hoch. Sie werden erlebt, das
heißt, ich kann sie mit meinem ganzen Körper und seinen fünf
Sinnen noch einmal fühlen. Schließlich sind die fünf Sinne die
Organe, mit der wir die Welt wahrnehmen. Verlangen wir den Beweis von der Welt,
daß sie existiert? Wenn die Erinnerungen im Wiedererleben Erfahrungen
werden, brauche ich an "Frühere Leben" nicht mehr zu glauben.
Sie sind Erfahrung geworden im Hier und Jetzt. Vielleicht sogar so konkret,
daß ich das verbrannte Dorf aus dem Mittelalter rieche, während ich
die Szene noch einmal durchlebe. Alle Leute, die ich bis jetzt zurückgeführt
habe, haben sich wiedererkannt. Trotz der historischen Verfremdung haben sie
sich in einem wohlbekannten Muster gesehen.
Das alte Drama wiederholt sich heute,
hier und jetzt, nur mit neuer Dekoration und anderen Kostümen
Manchmal treffen sich sogar dieselben Schauspieler wieder!
Ich will mal ein Beispiel von mir erzählen. Als linke Lehrerin und Feministin
kämpfte ich jahrelang gegen äußere "Feinde". Oft sagten
mir die Leute, die mich mochten, daß es mir nur fertig macht. Aber ich
dachte: Ich muß einfach kämpfen, bis zum äußersten, damit
sich was ändert. Dann sah ich mich eines Tages in einem "Früheren
Leben" in einem Nomadenstamm. Anfangs war ich eine schöne, junge,
wilde Frau. Dreißig Jahre lang kämpfte ich mit einem Mann des Stammes
(erst Jahre später entdeckte ich, daß er in diesem Leben ein Kollege
aus meinem Lehrerkollegium war) um die Führung des Stammes. Meine ganze
Energie ging in Kampf, Leiden, Klagen, Streiten damals wie heute. Ich
wurde immer häßlicher. Ich trieb es weiter, bis zu epileptischen
Anfällen mit Schaum vor dem Mund. Am Ende war der Stamm meiner überdrüssig.
Er ließ mich in der Wüste zurück. Verloren, isoliert verdurstete
ich.
Was meine Freunde mir nie vermitteln konnten, machte
ich mit diesem Bild drastisch und blitzartig selbst klar. Mein Kämpfen
führte mich immer weiter hinein in Negativität, bis hin zur Selbstzerstörung.
Und das, weil ich eigentlich nichts anderes als Freiheit, Autonomie, Kreativität,
meine wirkliche Kraft und mein wirkliches Sein suchte. Ich sah keinen anderen
Weg, um an dieses Ziel zu kommen. Was niemand anderes mir damals vermitteln
konnte, weil ich alles als gegen mich gerichtet ansah, konnte ich mir selbst
nicht mehr abstreiten. Ich sah: So bin ich: So gehe ich mit mir auch jetzt um.
Das ist die Kraft der Bilder aus "Früheren Leben". Ihre Botschaften
haben so scharf und klar mit mir im Hier und Jetzt zu tun, daß die Frage
nach der Beweisbarkeit unwichtig ist. das einzige, was ein Mensch braucht, um
an dieses Wissen in sich heranzukommen, ist Experimentierfreude, ist der Mut,
sich auf die Bilder der eigenen Intuition im normalen Bewußtsein einzulassen.
Je länger ich mich und andere beobachte, desto deutlicher wurde das Funktionieren
der Vergangenheit in der Gegenwart. Immer verhalte ich mich nach dem selben
Muster. Und diese Muster bedeuten oft extreme unbewußte Selbsteinschränkung,
weil sie auf einstmals erlebte und vergessene Gefahren und daraus resultierende
Ängste zurückgehen.
Was sind das für Fäden, die
von der Vergangenheit in die Gegenwart reichen?
Das sind die Gedanken bewußte und unbewußte.
Dies wird an meinem Beispiel mit dem Verbrennen schon deutlich. Keine Macht
der Welt hätte mich damals verbrennen können, wenn ich nicht selbst
gedacht hätte, daß ich verbrennen muß. Ich habe Gedanken in
die Welt projiziert. Aber den Schock und die Angst hält mich noch heute
klein. Auch der Gedanke von damals, daß das "Ich" verbrannt
werden muß, drückt sich heutzutage in meiner Arbeit aus. Ich verbrenne
nämlich mit den Leuten ihre Gedanken, ihre Programme. Im Verbrennen der
Zettel mit den Sätzen agieren wir das innere Loslassen als äußere,
symbolische Handlung aus. Deshalb also verbinde ich die Past-Life Arbeit mit
Gedankenheilung, um diese Fäden, die Gedanken, die aus der Vergangenheit
in die Gegenwart reichen, abzuschneiden. Gedankenheilung ist das Finden und
Aufgeben von Gedanken, die mich einschränken oder gefährden.
Sollen wir die Sätze, die wir
aufgeben, denn nicht durch neue, positive Programme, durch Affirmationen ersetzen?
Natürlich kann man das tun. Aber das wäre genauso, als wenn ich eine Meditation wählen würde, in der ich mir positive Suggestionen gebe, statt einer, die mich leer macht. Affirmationen, Suggestionen und Mantras sind Formen von Selbsthypnose, sind wieder Fixierung auf Gedanken. Die Leere aber macht Größeres möglich. Sie ist der Raum, in dem unser unendliches, göttliches Wesen, unsere Seele, existiert. Dieses Sein ist unendlich , und es ist größer als ein positives Programm, das unser Denken setzen könnte. Deswegen ist Meditation so heilend, weil sie Leersein von Gedanken schafft und in dieser Leere kann sich unser wirkliches Selbst entfalten. Je mehr ich mich auf Meditation und die Bilder und Erfahrungen aus "Früheren Leben" einließ, desto klarer erfuhr ich diesen unendlichen Teil von mir, das, was ich wirklich bin, den Teil, der in den verschiedenen Leben, durch sie hindurch und in den Zeiten zwischen den Leben existiert. Beispielsweise wußte ich von meiner Lehrerin in Hawaii, daß ich in meinem Wesen neutral bin, weder Frau noch Mann, und dennoch über das Potential von beiden verfüge. Dies war allerdings nur abstraktes Wissen für mich, solange ich die Erfahrung nicht hatte. Außerdem blockierte ich diese Erfahrung auch noch zwei Jahre lang, weil ich Feministin war und erst mal kein Männerleben in mein Bewußtsein aufsteigen ließ. Aber als es dann geschah, war es eine sehr wichtige Erfahrung. Ich fühlte genau, daß ich als Mann einen ganz anderen Körper hatte, mit dem ich aus dem Stand auf ein Pferd springen konnte. Aber die körperliche Andersartigkeit war nur ein Aspekt, meine Essenz, mein Wesen war gleich. Und so entdeckte ich, Schritt für Schritt, die Qualitäten meines wirklichen Selbst, seine Ganzheit, seine Unendlichkeit und Unzerstörbarkeit und vieles mehr.